Bolivien

Bolivien – Eine andere Welt

Ein Land voller Farben, sonnengegerbten Gesichtern, zurückhaltenden Menschen, bunten Röcken, vom Reichtum verlassenen Städten, unverkennbar schönen Landschaften und Gerüchen, die wir nicht zuordnen können. Willkommen in BOLIVIEN!

Vollbepackt mit tollen Sachen, die das Leben schöner machen, schreiten wir zu Fuss über den peruanisch – bolivianischen Grenzübergang. Unser Ziel: Copacabana. Nein, nicht der palmengesäumte und mit Bikinischönheiten versehene Strand Brasiliens, sondern das eisig kalte Ausgangsdörfchen zur bolivianischen Hälfte des Titicacasees. So geht es als erstes direkt zur berühmten Isla de Sol. Laut der Inka-Mythologie wurde hier die Sonne geboren und tatsächlich scheint sie da so gut wie jeden Tag. Beladen mit Rucksack, Wanderschuhen und einer dicken Schicht Sonnencrème erkunden wir die Insel von Nord bis Süd und geniessen dabei die mediterrane Landschaft. Plötzlich merken wir, dass unser Boot bald zurückfährt und so wird der letzte Teil der Wanderung zum kleinen Marathon. Wieder einmal mehr die Schnauze voll vom Wandern, besteigen wir tags darauf ein vierrädriges Fortbewegungsmittel Richtung La Paz. Unterwegs müssen wir mit einem alten Holzfloss, in Bolivien „Fähre“ genannt,  den Titicacasee überqueren. Dass es bei diesem starken Wellengang nicht zu mehr Unfällen kommt, grenzt schon fast an ein Wunder.

In La Paz angekommen, ist der Blick auf die Millionenstadt unbeschreiblich. Soweit das Auge reicht, sehen wir nur Stadt, Stadt, Stadt… Die Strassen sind voller Menschen und Autos und am Strassenrand wird ALLES verkauft – von ungekühltem rohen Fleisch über WC – Schüsseln bis zu Riesenpopcorn in Riesensäcken. Bestimmt gibt es irgendwo auch einen Supermarkt, doch wir sehen keinen. Stattdessen beobachten wir ungläubig die Wahrsagerinnen auf dem Hexenmarkt. Ob ein Tee gegen Unfruchtbarkeit oder ein getrocknetes Lama-Embrio zum Einmauern beim Hausbau, hier findet jeder etwas zum glücklich werden. Fasziniert durchstreifen wir die steilen Strassen, der hohe Puls zwingt uns dabei immer wieder zu einer Verschnaufpause (kein Wunder bei knapp 4000 Metern über Meer!) und wir verlieren uns im chaotischen Mercado Negro, dem offiziell genannten Schwarzmarkt.

Von La Paz aus besuchen wir auch die Death Road, die gefährlichste Strasse der Welt. Hier kann man von der Passhöhe auf 4700 Meter im Hochland bis zu den Yungas im Amazonasgebiet mit dem Bike runterbrettern und dabei 3500 Höhenmeter an einem Stück vernichten. Die Strasse wurde in den Dreissigerjahren mit einfachsten Mitteln aus dem Fels gehauen und führt ohne Leitplanken steilen Abhängen (bis 500m) entlang. Obwohl sie nur einspurig ausgelegt wurde, musste die Death Road trotzdem Lastwagen inkl. Gegenverkehr ertragen, so dass es fast täglich ein Todesopfer zu beklagen gab. Glücklicherweise gibt es seit Ende 2006 eine gute Umfahrungsstrasse, was die Gefahr für die lokale Bevölkerung und Lastwagenfahrer massiv reduzierte. Selbstverständlich kann sich Reto – als grosser Auto- und Strassenfan – die Death Road nicht entgehen lassen.

Einige Tage später fahren wir mit dem Nachtbus nach Potosí. Bereits während der Anfahrt erblicken wir den grau und rot schimmernden Cerro Rico. Der „reiche Berg“, welcher sich hinter der höchstgelegenen Stadt der Welt auftürmt, ist mit hunderten von Stollen durchbohrt. So haben sich während einem halben Jahrtausend die Spanier ihren Silberschatz geholt. Acht Millionen Indios haben dabei ihr Leben gelassen und Spanien förderte damals in nur 30 Jahren mehr Silber aus dem Berg, als zu dieser Zeit in ganz Europa im Umlauf war. Heute hat Potosí merklich an Bedeutung verloren und gilt als eine der ärmsten Städte Südamerikas. Trotzdem: Auch im Jahre 2014 kann hier noch immer jedermann ganz legal Dynamit, Verstärkungsladungen und Zünder in rauen Mengen am Kiosk kaufen, denn auch in diesen Stunden kratzen tausende von Tagelöhnern und ihre Familien die Reste der Bodenschätze aus dem durchlöcherten Berg. Ausgestattet mit Helm, Stirnlampe, Schutzkleidung und Dynamit werden wir von einem Ex-Minenarbeiter zu den Minen geführt. Die unbeleuchteten Stollen sind teilweise unglaublich eng, oft noch zu einem guten Teil mit Wasser geflutet. Vertikal und horizontal verzweigen unzählige Nebenstollen. Wir versuchen mit dem Kopf nicht an die Piplines zu stossen, durch die der Sauerstoff zischend ins Innere des Berges transportiert wird. Es ist eine rechtsfreie Gegend in diesem Berg, hier herrscht einzig „Tío“ – der Teufel und Schutzpatron der Mineure. Nach gut zwei Stunden sind wir froh, endlich wieder Tageslicht erblicken zu können.

Vor ein paar Wochen sind wir zu Fuss über die Grenze gekommen und in einer völlig anderen Welt gelandet. Bald werden wir aus Bolivien ausreisen und sind traurig, ein lieb gewonnenes und wunderschönes Land zu verlassen…

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